Heuer im März erhielt ich von der deutschen Presseagentur von Pioneer ein Mail mit der Vorstellung des hauseigenen Leistungsmesssystems SGY-PM910H, von dem ich zwar schon gehört , es aber noch nie näher betrachtet hatte. In dem Mail wurde auch ein Test angeboten. Ich meldete mich, allerdings mit dem „Sonderwunsch“, dass ich an einem Kurzzeittest – wie für Magazine üblich – nicht interessiert sei, sondern wenn dann an einem Langzeittest über die gesamte 2015er Saison. Zu meinem Erstaunen willigte Pioneer ein und seit Anfang April bin ich nun auf meiner BMC Timemachine TMR01 mit 175er Dura Ace Kurbel, Pioneer Powermeter und zugehörigem SGX-CA500 Radcomputer unterwegs.
BMC TMR01 mit Dura Ace Di2 und Pioneer Leistungsmesser (66g). Mit Zipp404 Laufrädern wiegt das Rad ~6,9kg.
Da ich keinen Test sondern viel mehr einen Erfahrungsbericht schreiben möchte, gehe ich hier nur kurz auf den Leistungsmesser selbst ein:
Beim Pioneer Tritt-Überwachungssensor handelt es sich eigentlich um zwei getrennte Leistungsmesser, die unabhängig voneinander an der linken und rechten Kurbel fix ab Werk befestigt werden. Es werden ausschließlich die Shimano Dura Ace FC-9000 sowie die Ultegra FC-6800 Kurbel unterstützt. Nach dem Kauf des Leistungsmessers wird dieser gemeinsam mit der Kurbel eingeschickt und von Pioneer der Leistungsmesser aufgebracht und kalibriert. Dies dauert im Regelfall ca. eine Woche. Danach wird die Kurbel wieder am Rad montiert, links und rechts Magneten am Rahmen angebracht und einmalig kalibriert. All dies sollte von einem Händler erledigt werden, kann aber auch selbst vorgenommen werden.
Danach kann es schon losgehen. Aufgezeichnet wird entweder im Pedaling Monitor Modus mit dem Pioneer SGX-CA500 Radcomputer oder im Powermeter Modus mit jedem ANT+ kompatiblen Radcomputer (z.B. Garmin Edge).
Verwendet man den SGX-CA500, dann erhält man neben Kadenz und Watt auch detaillierte Auswertungen zum eigenen Tritt. Dabei misst der Tritt-Überwachungssensor – deswegen bezeichnet ihn Pioneer auch als solchen und nicht einfach als Leistungsmesser – alle 30 Grad bzw. 12x pro Kurbelumdrehung die anliegende tangentiale und radiale Kraft und stellt diese in Vektordiagrammen oder als (Kenn-) Zahlen dar. Entweder während der Fahrt auf dem Radcomputer oder danach auf der eigenen Webplattform Cyclo-Sphere, auf die alle Fahrten nach Abschluss via WIFI oder USB/Computer (Windows oder Mac) hochgeladen werden.
Auswertung des Tritt-Überwachungssensor: Watt, Trittfrequenz, L/R Verteilung, Effizienz, Kraftvektoren und -diagramm
Einen ausführlichen Testbericht gibt es bei DC Rainmaker.
Erhältlich ist der Leistungsmesser über den Fachhandel. Der UVP für den Leistungsmesser liegt bei EUR 1399.- und für den Radcomputer EUR 299.-
Pioneer?
Bevor ich zu einem ersten Fazit komme, noch ein paar Hintergrundinformationen dazu warum eine Firma wie Pioneer, die hierzulande für Unterhaltungselektronik steht, einen Leistungsmesser für das Rad anbietet:
Wie viele große Firmen, bietet auch Pioneer den eigenen Ingenieuren die Möglichkeit Eigenentwicklungen und Ideen einzubringen. Ein Ingenieur aus Japan hatte die Idee zum Leistungsmesser fürs Fahrrad, damit einen internen Ideenwettbewerb gewonnen und letztlich auch einen Prototypen umgesetzt. Damit fuhr er zur Eurobike Messe und stellte das Gerät vor. Ausgerechnet ein Team Coach der Lotto Jumbo Profimannschaft (vormals Belkin) wurde auf die detaillierten Auswertungen, die mit dem Pioneer System möglich sind aufmerksam. Fortan wurde das System gemeinsam weiterentwickelt und bis zur Marktreife gebracht. Derzeit ist das Pioneer System neben Lotto Jumbo auch noch bei Giant Alpecin, United Healthcare und dem Rabo Liv Damenteam im Einsatz.
Paris-Roubaix: Im Gegensatz zu so manchem Proteam fährt das Lotto Jumbo Team den gesponserten Leistungsmesser in allen Strassenrennen und Zeitfahren
Fazit nach 3 Monaten
Sehr zuverlässig und robust – Hatte noch keinen Ausfall (bis auf einen Batterietod am Anfang einer Ausfahrt)
Sehr akkurat – Mir kommen die Leistungswerte sehr plausibel vor. Gröberer Ausreisser ist mir noch keiner untergekommen. Auch Temperaturschwankungen sind kein Problem.
Sehr technisch – Angefangen vom Radcomputer über das Webportal bis zu so simplen Dingen wie fehlenden Batteriebenachrichtigungen, wird einem bei der Benutzung sofort klar, dass das Projekt von einem Ingenieur und nicht der Marketingabteilung geleitet wird. Es gibt gefühlt 100 unterschiedliche Optionen. Alles lässt sich verstellen und analysieren. Die oft etwas eigentümlichen Bezeichnungen und Übersetzungen sowie Benutzerinterfaces (Webseite und Radcomputer) wirken allerdings teils komplexer als sie eigentlich sind.
Mir gefällt das System. Speziell der Radcomputer im Edge 500 Format mit automatischem WIFI Upload, attraktiveren Screenlayouts als Garmin’s Edge Computer und das Webportal mit den vielen Auswertungsmöglichkeiten, haben dazu geführt, dass ich WKO+ so gut wie gar nicht mehr verwende. Wenn ich nach Hause komme ist die Fahrt schon bevor ich die Schuhe ausgezogen habe via WLAN auf Cyclo-Sphere hochgeladen und automatisch zu Strava weitergeleitet. Das reicht mir für 95% meiner Auswertungen.
Was mich am meisten stört sind die am Radcomputer fehlenden Leistungskennzahlen NP/TSS/IF, die vom Edge 1000 gewohnten SMS&Anruf Notifizierungen und das Fehlen jeglicher Batteriewarnungen (sowohl Radcomputer als auch Leistungsmesser).
Und weil die Frage sicher kommt: Würde ich mir das System kaufen? Wenn ich ehrlich bin zum jetzigen Zeitpunkt wohl (noch) nicht. Dies liegt aber gar nicht so an Pioneer sondern an der Konkurrenz, die mit immer günstigeren Preispunkten (Leistungsmesser) und mehr Features (Radcomputer. z.B. Edge 520, Strava Integration) am Preis-/Leistungsverhältnis von Pioneer rüttelt. Für den reinen Renneinsatz braucht sich das System aber sicher nicht vor einem SRM verstecken, das wesentlich teurer ist und ebenfalls keine Touring Funktionen (Notifizierungen, Strava, Routing) bietet.
Seit Anfang Juli 2015 bietet Pioneer unter der Bezeichnung SGH-PM910H2 (EUR 1399.-) bzw. HR/HL nun auch ein einseitiges System (EUR 799.-), bei dem sich linker und rechter Sensor beliebig kombinieren aber auch getrennt voneinander betreiben lassen. Damit folgt Pioneer dem Trend vieler anderer Hersteller von Leistungsmessern, die einseitige Lösungen anbieten um ein günstigeres Modell im Angebot zu haben. Ich persönlich halte dieser Entwicklung und der einseitigen Messung nichts, daher sind diese Neuerungen für mich nicht sonderlich reizvoll.
Im nächsten Blogbeitrag werde ich versuchen die wichtigsten Dinge, die man auf jeden Fall wissen und in der Praxis berücksichtigen sollte, zusammenzufassen.
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