164km Vollgas mit David Polveroni auf Etappe 3
2 Tage danach beginnen die Beine erst so richtig zu schmerzen. Das gilt sowohl für die Tour Transalp als auch die Haute Route. Heuer bin ich beides gefahren. Beides sind Etappenrennen über 7 Tage für Amateurradfahrer mit jeder Menge Höhenmetern. Bei beiden gibt es eine Gesamtwertung in der, wie bei einer großen Rundfahrt, die Zeit zusammengezählt wird und es Tages- als auch Gesamtwertung gibt. Die Transalp wird im 2er Team gefahren, die Haute Route als Einzelkämpfer (Es gibt zwar eine Teamwertung, aber die hat auf den Rennverlauf keine Auswirkung). Von der Organisation her sind beide Events sehr ähnlich professionell aufgezogen. Die Strecken sehr gut abgesichert. Pastaparty und Siegerehrung im Zielort inklusive. Welches der beiden Events ist nun härter? Meinen Bericht von der Tour Transalp 2013 gibt es hier.
Bericht Haute Route 2013
Haute Route Profil: 866km mit 21.000 Höhenmetern. Jeden Tag mind. 2 Berge, von denen ich noch keinen einzigen kannte und viele Bergankünfte sowie ein Bergzeitfahren auf die Cime de la Bonette.
Start in Genf und Ziel in Nizza. Das ist jedes Jahr gleich bei der Haute Route. Die Route selbst variiert immer.
Etappe 1 (auf Strava): Am ersten Berg ein erstes Abtasten. Mit rund 280W (4,3W/kg) ging es gemäßigt in einem relativ grossen Feld drüber. Dann am 2. Berg die Attacke von Vorjahressieger Peter Pouly. Heuer hatte er einen Teamkollegen mit, den er praktischerweise gleich bei der Attacke mitgezogen hat. Niemand konnte den beiden folgen, aber alle waren auf der Verfolgung. Oben am Berg war letztlich ich alleine als letzter Verfolger übrig. Bis ins Ziel waren es noch gut 65km mit 2 Anstiegen. Ich entschied mich für die Vollgasvariante und stürmte alleine dem Ziel entgegen. Unerwarteter Weise ging es sich aus. Ich fuhr als 3. über die Ziellinie in Megeve. Hatte mich schon am ersten Tag voll verausgabt (350TSS), aber auch schon mein Wochenziel (einmal am Podium stehen) erfüllt. Wahnsinn.
Führungsarbeit in einer 4er Gruppe hinauf nach Val d’Isere in Etappe 2
Etappe 2 (auf Strava): Ich hoffte auf einen ruhigen Tag. Daraus wurde leider nichts. 3km im ersten Berg die Attacke des 4. in der Gesamtwertung (David Polveroni, FRA). Ein Kletterspezialist und Federgewicht (52kg). Ich fuhr gemeinsam mit dem 2. der Gesamtwertung und einem anderen Fahrer mit. Über die ersten beiden Berge hielt er das Tempo hoch – gerade so hoch, dass ich nicht abreissen lassen musste. Danach lies er locker und ich übernahm am Schlussanstieg nach Val d’Isere. Ein Fehler: Die letzten 2km waren noch einmal steil. Er hängte mich mit einer Attacke ab und mir gingen die Kohlenhydrate aus. 2min habe ich auf den letzten 200 Höhenmetern verloren, war aber noch in 3. Position der Gesamtwertung.
Etappe 3: David Polveroni und ich im Tunnel oben am Col de L’Echelle
Etappe 3 (auf Strava): Marathonetappe über 164km mit Start früh morgens bei nur wenigen Grad über Plus in Val d’Isere und nach 500m schon wieder Attacke von Polveroni. Ich musste mitgehen. Der 1. & 2. der Gesamtwertung (Peter Pouly & Alex Pounsavath – beides Profis) gingen ebenfalls mit bzw. überholten Polveroni. Ich blieb an seinem Hinterrad über den Col d’Iseran und Col du Mont Cenis. In der langen Abfahrt nach Susa (IT) übernahm ich das Tempo ebenso wie in Großteilen des 50km Anstiegs zum Col de L’Echelle. Dort einigten wir uns auf einen „Nichtangriffspakt“ – Zeit gewinnen auf die nächste Gruppe war angesagt und nicht Kleinkrieg. Er übernahm am Col de L’Echelle die Arbeit am Berg und ich drückte als „Schwergewicht“ bergab und im Flachen noch einmal ordentlich an. Letztlich fuhren wir gemeinsam als Tages-Dritte ins Ziel und holten 7min Vorsprung auf die nächste Gruppe mit unseren Verfolgern in der Gesamtwertung heraus. Gesamt war ich immer noch Dritter mit knapp 2min Vorsprung. Wir hatten uns also Luft nach hinten verschafft und konnten uns am folgenden Tag ganz auf unseren Zweikampf um den 3. Gesamtplatz konzentrieren.
Abenddämmerung über Briancon. Im Hintergrund der Galibier.
Etappe 4 (auf Strava): Es kam wie es kommen musste. 500m nach dem Start im Anstieg auf den Col d’Izoard wieder Attacke von Polveroni. Ich ging einmal nicht mit und hoffte mit einer hinteren Gruppe gemeinsam schneller voran zu kommen als er. Leider ein Fehler. Alle hängten sich an mein Hinterrad und ich fuhr den Col d’Izoard praktisch alleine vorne im Wind. In der Abfahrt verabschiedete ich mich von den anderen und fuhr bis ins Ziel solo durch. Immer am Anschlag über den Col de Vars, die lange Abfahrt bis zum Schlussanstieg und letztlich den Anstieg hinauf zum Ziel in Pra Loup. Das Solo war erfolgreich. Es ging sich aus vor den Verfolgern ins Ziel zu kommen, aber der 3. Gesamtrang war weg, da ich auf Polveroni weitere 2min verloren hatte. „Gut so, bleiben mir in Zukunft die Attacken nach 500m erspart.“ Klingt blöd, aber das war tatsächlich der Gedankengang – man merkt, dass sich eine gewisse Müdigkeit auch im Kopf breit machte.
Etappe 4: Wieder solo unterwegs.
Etappe 5 (auf Strava): Bergzeitfahren von Jausier auf die „höchste Pasststrasse Europas“ die Cime de la Bonette auf 2800hm. Der Kopf war wieder fit, aus irgend einem unerklärlichen Grund freute ich mich auf die Quälerei. Pacing hatte ich mir auch überlegt. Die 24km lange Strecke wurde geviertelt es sollte mit 300W möglichst konstant losgehen und durchgehalten werden, wobei oben rauf die Leistung wegen der Höhenlage abnehmen sollte. So war es dann auch. Ich radelte sehr konstant hoch: 300W/291W/280W/272W = 285W Schnitt (4,4 W/kg) – 5W mehr als beim Glocknerkönig 2012 – und hielt den Rückstand auf Klettermax Polveroni mit nur 30Sekunden gut in Grenzen. In der Tageswertung war ich trotzdem nur 6., weil mir der 5.&6. der Gesamtwertung (Roland Ballerstedt/DE und Bastian Froidevaux/CH) im letzten Viertel je fast 1 Minute abgenommen haben (wie das ging ist mir bis heute ein Rätsel).
Etappe 5: 300m vor dem Ziel am Cime de la Bonette
Etappe 6 (auf Strava): Der Tag der schweren Beine. Endlich wurde einmal keine Attacke gefahren, der erste Berg gemeinsam in einer ca. 30 Mann starken Gruppe erklommen. Ich musste allerdings gewaltig kämpfen um den Anschluss nicht zu verlieren. Ging dann nach der Abfahrt im 2. Berg in die Offensive und versuchte einmal anzudrücken. 10min mit 310W haben die Gruppe ausgedünnt, ca. 10 Fahrer waren aber immer noch übrig. Meine Beine am Ende. Ich schleppte mich nur noch irgendwie mit der Gruppe hoch und hoffte, dass am nächsten Berg und in den ersten mit 2% relativ flachen 20km des Schlussanstieges nach Auron nichts passieren würde. Leider Fehlanzeige: Das Tempo im Flachen war zu niedrig, es kam zu Attacken und nach 2 Angriffsversuchen war eine Gruppe vorne weg. Ich versuchte das Loch zu schliessen (5min Peak der bisherigen Woche), was aber nicht gelang. Polveroni war auch bei mir, unsere direkten Verfolger in der Gesamtwertung allerdings vorne in der Spitzengruppe. D.h. es war wieder Tempomachen angesagt. Also wieder einmal voll hinhalten im Flachen und hinauf zum Schlussanstieg. Der Lohn der Mühen: 3min in der Anfahrt und 1min im Anstieg auf den 5.&6. im Gesamtklassement verloren. 2min im Schlussanstieg auf Polveroni verloren. D.h. vor dem letzten Tag war der 4. Platz nach vorne mit 2min und nach hinten mit 10min abgesichert. Normalerweise sollte da nichts mehr passieren.
Am Ziel – Strandpromenade von Nizza
Etappe 7 (auf Strava): Was ist schon normal? Wegen eines angekündigten Gewitters über Nizza wurde die Etappe verkürzt, der erste Berg gestrichen. Es wurden rund 64km neutralisiert gefahren und dann nur mehr ein Berg (Col de Vence), dessen Anstieg 40km lang mit einigen Flachstücken und max. 6,5% Steigung war. Nach der Freigabe des Rennens wurde auf Leben&Tod losgefahren. Zuerst ein paar Kilometer flach, dann in einen ersten unerwartet steilen und engen Anstieg. Ich war schlecht positioniert, musste mich nach vorne kämpfen, während vorne die volle Attacke lief. Nach 12min mit 310W wurden – bis auf die ersten zwei – rund 20 Fahrer bei einer Abzweigung falsch geleitet. Nach 3min mit 350W kam von hinten ein Motorrad und meinte wir seien falsch. Hurra. Umdrehen und wieder zurück hinunter zur Abzweigung. Von dort ging es gleich wieder voll los. Roland Ballerstedt (5.) musste seinen Platz verteidigen, da der 6. vorne in der Spitze war und drückte voll auf’s Tempo. Ich versuchte sein Hinterrad zu halten um meinen 4. Platz nicht zu gefährden. Polveroni und der zweite der Gesamtwertung waren hinter mir, weil die noch weiter in die falsche Richtung hochgefahren sind und erst nach uns umdrehten. Nach einer halben Stunde begann Roland langsamer zu werden, gleichzeitig sagte uns ein Führungsauto, dass wir 6min Rückstand auf das Spitzenduo hätten. Na, toll. Also noch einmal Vollgas geben um ja nicht den 4. Platz an den 6. zu verlieren. Ich übernahm die Führung und sorgte auf den letzten 25min noch einmal für Tempo. Im Ziel waren wir dann 10min hinter der Spitze, allerdings erwartete uns auch der Rennleiter mit der Info, dass wir 6min Zeitgutschrift bekämen. Polveroni kam 1,5min hinter mir ins Ziel. Daher änderte sich an der Gesamtwertung nichts. In der Tageswertung wurde ich dadurch aber noch einmal 3.
Die Top 4 der Gesamtwertung: Peter Pouly (1.), Jürgen Pansy (4.), David Polveroni (3.), Alex Pounsavath (2.)
Was war härter: Transalp oder Haute Route?
Für mich eindeutig die Haute Route. Mag sein, dass es am Rennverlauf gelegen ist oder an der Tatsache, dass man komplett auf sich alleine gestellt ist und kein Team hat. Jedenfalls bin ich bis auf den allerersten Berg die ganze Woche jeden Berg mit Vollgas am Limit gefahren (bzw. das was mit der Müdigkeit in den Beinen eben das Limit war). Trotz des schönen Wetter zehrt das mental gewaltig an der Substanz. Dazu kommen noch die ewig langen Solofahrten, die ein Verstecken und Ausrasten im Feld unmöglich machen.
Interessanterweise waren es aber gerade diese Solofahrten bzw. der Mut dazu sie auf mich zu nehmen, die mir auch die gute Gesamtplatzierung beschert haben. Bei einem Solo wurde ich die ganze Woche nie eingeholt. Vermutlich auch ein Zeichen dafür wie hart die Taktik die Woche macht: Einigkeit in einer grösseren Gruppe ein gemeinsames Ziel zu verfolgen gibt es so gut wie nicht. Viele Einzelkämpfe um Platzierungen machen eine effiziente Teamarbeit unmöglich.
Zusammenfassung Haute Route 2013
Zusammenfassung Transalp 2013
Vergleich der Trainingszonen
Viel mehr L3 (=Tempo) bei der Haute Route (= Solos), dafür etwas weniger Intensität in den Anstiegen (L5&L6). Kaum L2 (=Grundlage) bei beiden Events. Im Schnitt bei der Haute Route täglich 15min L5&L6, 45min L4, 75min L3, 35min L2 und 90min L1 (Abfahrten und neutralisiert).
Was braucht es um die Haute Route zu gewinnen?
Während man bei der Transalp mit ~5,2W/kg als Team ganz vorne mitfahren konnte, ist das bei der Haute Route unmöglich. Peter Pouly, 5 facher französischer Mountainbikemeister, hat eine Schwellenleistung von 375W bei 61kg. Das sind mehr als 6W/kg und liegt über dem Niveau vieler Top Profis. Dort ist er allerdings (angeblich) wegen mehrfacher Dopingvergehen nicht startberechtigt und bildet nun junge Talente in Thailand aus. Eines dieser Talente – Alex Pounsavath – hat er mitgebracht. Alex bringt es mit 310W FTP bei 60kg auf 5,2W/kg. David Polveroni liegt so wie ich und die 5. und 6. Platzierten um die 4,8-5,0W/kg.
Do you know Klöden?
Im neutralisierten Teil der 6. Etappe rollte Alex Pounsavath neben mir her und fragte mich: „Do you know Klöden? You look like him an have the same style as he has. They all call you Klöden!“. Urteilt selbst 😉
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