Voriges Jahr habe ich mich schon mit dem Thema was noch geht beschäftigt und dabei alles notwendige Zahlenmaterial von meinem Leistungsmesser abgeleitet. So habe ich das auch bei allen Berechnungen rund um Energieverbrauch und Nahrungsaufnahme (z.B. Ötzi Pacing) immer gemacht. Auf einen klassischen Leistungstest mit Laktatmessung habe ich bisher verzichtet. Nach dem sehr guten Ergebnis und den gewonnenen Erfahrungen beim 24h Rennen in Hitzendorf bin ich aber neugierig geworden und wollte noch etwas mehr über meinen Körper erfahren als ein Leistungsmesser hergibt.
Ziel
Konkret hat mich die Effizienz meines „Motors“ und der dabei verbrauchte Treibstoff – Fett vs. Kohlenhydrate – interessiert. Das alles lässt sich über eine Ergospirometrie mit Atemgasanalyse bestimmen. Anhand der Zusammensetzung der ausgeatmeten Luft kann man durch indirekte Kalorimetrie herausfinden wieviel Energie der Körper gerade verbraucht und wieviel davon durch Kohlenhydrat- bzw. Fettverbrennung bereitgestellt wird. Kennt man auch die Watt, die das Ergometer vorgibt, lässt sich daraus die Effizienz ableiten.
Außerdem wollte ich die über Leistungsmesser bestimmten Werte für FTP und VO2Max verifiziert wissen und sehen ob es darüber hinaus irgendwelche Auffälligkeiten oder Außergewöhnlichkeiten gibt.
Methodik
Da die Fettverbrennung stark dadurch beeinflusst wird was man davor gegessen hat und auch je nach Messmethode (z.B. Stufenlänge bei einem Leistungstest) schwanken kann, habe ich versucht mich an ein bestehendes Protokoll aus einer Studie zu halten und zum anderen den Test gemeinsam mit einer Referenzperson, also einem Partner der nach dem gleichen Protokoll vorgeht, zu absolvieren.
Das Protokoll ist jenes aus dieser Studie: Es werden Stufen von 3 Minuten Dauer in 35W Schritten beginnend bei 95W gefahren. Nüchtern mit mindestens 10h ohne Nahrungsaufnahme und ohne spezielles Nahrungsprotokoll an den Tagen davor (D.h. sportlertypisch eher kohlenhydratreich). Während in der Studie nur ein nüchterner Durchgang gefahren wurde, bin ich den Test zwei Mal gefahren. Zuerst nüchtern bis zur Schwelle und dann nach einem Frühstück/Essen mit ~1h Pause noch einmal. Diesmal allerdings bis zur Erschöpfung/VO2Max.
Zur Referenzperson will ich nicht mehr sagen, außer dass er ein ordentliches Kaliber im Ausdauerbereich ist und der Vergleich mit seinen Zahlen hoch interessant war … (Tipp) 😉
Die Tests wurden Anfang April 2014 in der Sportambulanz des Klinikums Graz von Prof. Schober und Jana Windhaber durchgeführt.
Ergebnisse
Zunächst zu den Werten, die man auch mit einem Leistungsmesser bestimmen kann: Sowohl FTP (Laktatschwelle < FTP < VT2 innerhalb von ~10-20 Watt) als auch VO2Max (~5-6min Maximalleistung, die man z.B. über die Formel VO2Max in ml/kg/min = (6min Max.Power * 10,8 / Gewicht in kg) + 7 annähern kann) wurden im Test bestätigt. D.h. zum einen, dass meine Werte gemeinsam mit meinen ~65kg (5,9% Körperfett) für mein Alter sehr gut sind und zum anderen, dass man sich so einen Test auch sparen kann und das Geld z.B. besser in einen Leistungsmesser investiert.
Interessant wurde es dann bei Fettverbrennung und Effizienz. Hier die Ergebnisse:
Fettverbrennung at it’s best: Nüchtern (rote „Fasted“ Kurve) gehen bis zu 1,0g/min. Nach dem Frühstück (blaue „loaded“ Kurve) sinken die Werte um rund 30% ab, sind mit 0,6g/min aber immer noch sehr hoch. Für trainierte Personen sind normalerweise Werte von 0,5-0,6g/min erreichbar, was sich auch mit den Erkenntnissen aus der Referenzstudie deckt.
So viel % der benötigten Energie können durch die Fettverbrennung bereitgestellt werden. Im besten Fall sind dies 60%. D.h. mind 40% kommen immer aus den (nur begrenzt verfügbaren) Kohlenhydratspeichern. Ab 100% der FTP werden im Regelfall ausschließlich Kohlenhydrate umgesetzt.
Kohlenhydratdefizit in Gramm pro Stunde zu den jeweiligen Intensitäten. Die grüne „Intake“ Kurve entspricht der blauen „Loaded“ Kurve unter Annahme einer Nahrungsaufnahme von 1g/kg/h (Das ist ungefähr das, was der Körper an Kohlenhydraten verarbeiten kann). Damit ich eine 0 Balance habe, dürfte ich nicht mehr als 40% der FTP fahren. Interessant der 70% FTP Wert: Ob ich bei 70% (= obere Grundlage) mit oder ohne Nahrungsaufnahme fahre macht keinen Unterschied. Ich verbrauche genau gleich viele Kohlenhydrate.
Wie lange kann ich bei einem angenommenen Kohlenhydratdepot von 400g bei welcher Intensität fahren? 70% der FTP gehen rein von der Energiebilanz her 6h – mit oder ohne Nahrungsaufnahme. Unter 70% geht die Schere massiv zu Gunsten der Nahrungsaufnahme (grüne „Intake“ Kurve) auf. Auch in intensiveren Bereichen von 80-90% lässt sich die Dauer durch Nahrungsaufnahme während der Ausfahrt/Wettkampf massiv verlängern. Die 3h von Neusiedl mit 90% der FTP wären ohne Nahrungsaufnahme nicht möglich gewesen.
Wieviel % der Energie, die der Körper benötigt kommen am Pedal an? Normalwerte liegen bei 19-21%. Ich schaffe es auf fast 25%. Ob dabei Kohlenhydrate oder Fett verbrannt werden, spielt scheinbar kaum eine Rolle – die Fasted und Loaded Kurven sind beinahe deckungsgleich.
Was nehme ich jetzt aus den Ergebnissen mit?
Erstens, dass ich mich auf mein Körpergefühl verlassen kann. Ich habe schon immer viel weniger gegessen und getrunken als andere Radfahrer und mich dabei auch bei längeren Ausfahrten nicht schlechter, weniger leistungsfähig oder unterversorgt gefühlt. Auch alle anderen im Test gemessenen Parameter wie z.B. Laktat oder VO2Max kann ich nun einem Körpergefühl zuordnen, das ich zwar bereits kannte nur bisher nicht zuordnen konnte.
Zweitens, dass man die Ergebnisse zwar für verschiedenste weitere Überlegungen verwenden, aber auch nicht überbewerten darf. Es ist eine Momentaufnahme aus einem Labortest. Was in Wirklichkeit passiert, wenn die Muskelglykogenspeicher geleert sind oder wenn nach einem harten Berg eine 20min Abfahrt und ein 50min Flachstück folgt, ob der Körper dann noch Fett oder doch weiter Kohlenhydrate verbrennt, bleibt offen. Genauso wie die Frage ob ich meine Fettverbrennungsfähigkeiten durch Training erworben habe oder ob sie mir einfach genetisch von Geburt an gegeben sind, wobei einiges darauf hindeutet, dass es eine Kombination aus Genetik und Training ist (Dazu folgt irgendwann noch ein eigenes Posting). Jedenfalls sind hohe Effizienzwerte auch ein Hinweis auf eine hohen Anteil an Typ 1 Muskelfasern, die für gute Ausdauerleistungen unerlässlich sind (Die Muskelfaserzusammensetzung kann nur durch eine Biopsie bestimmt werden).
Drittens, dass ich mit allen meinen Werten am oberen Rand dessen liege, was durch Training machbar ist. Spricht für mein Training, aber gegen Potential nach oben. Vor allem da die VO2Max mit dem Alter (ab 20 Jahren – siehe Link) kontinuierlich abnimmt, hätte ich früher wohl einmal richtig Potential gehabt (ev. VO2Max ~80 ml/kg/min – siehe VO2Max Weltrekorde), kann jetzt aber fast nur mehr schlechter werden … 🙁
Viertens, dass als größte Stellschraube noch die Sauerstofftransportfähigkeit des Blutes bleibt. Um die zu steigern gibt es illegale Methoden (die mich nicht interessieren), aber auch legale: Höhentraining. Somit scheint das Bastelprojekt für den nächsten Winter gefunden zu sein. 😉
Und danach bleibt immer noch die Option auch Schwimmen und Laufen zu lernen und sich dem Sport zu widmen, der vermutlich meiner Physiologie am meisten entgegenkommen würde …
Anwendung für Jedermann
In allen Studien die ich zu Fettverbrennung und Effizienz gefunden habe, wurde immer darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse sehr individuell sind. D.h. wenn man seine eigenen Ergebnisse wissen möchte, dann sollte man sich selbst einem derartigen Test stellen. Hält man sich dabei an das selbe Protokoll kann man die Werte mit meinen und jenen aus der Studie vergleichen. Auch VO2&VCO2 Protokolle bereits erledigter Leistungstests können verwendet werden um im Nachhinein die oben angeführten Auswertungen zu erstellen, allerdings kommt es bei Nichteinhaltung der ungewöhnlich langen Stufenzeiten (3min, 35W) sicher zu Abweichungen und die Ergebnisse sind nur noch bedingt vergleichbar. Bei Interesse kann ich auch gerne die verwendeten XLS Sheets zur Erstellung der Graphen online stellen.
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