In den letzten Jahren wurde ich zig Mal danach gefragt wie ich das im Training, vor dem Rennen, während dem Rennen mit der Ernährung mache. Immer wieder habe ich auf einen „Blogpost, der bald erscheinen wird“ verwiesen. Hier ist er nun als ein Versuch das Thema Ernährung im Radsport und meine Erfahrungen in möglichst wenig Worte zu fassen. Vorweg gleich der Hinweis darauf, dass dies meine persönlichen Erfahrungen und Meinungen sind. Ernährung ist – wie wir Menschen auch – sehr individuell. Ich maße mir nicht an die Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben, möchte auch niemandem vorschreiben was er tun soll. Ich liste hier lediglich meine Erfahrungen auf.
Die wichtigsten Erkenntnisse
- Ich habe es nicht geschafft durch Änderungen an der Ernährung leistungsfähiger zu werden. Weder spezielle Nährstoffe (z.B. Magnesium) noch eine spezielle Ernährungsform (z.B. HighCarb) haben eine Auswirkung auf meine Schwellenleistung bzw. Mean-Max Kurve (= Leistungsfähigkeit über unterschiedliche Zeiträume) gehabt.
- Bei meinen Trainingsumfängen von 10-15h/Woche hat die Ernährung auch nur einen sehr geringen Einfluss auf die Regeneration. Es ist letztlich immer genug Zeit um bis zur nächsten Trainingseinheit wieder genügend Nährstoffe zu tanken. Auswirkungen des Timings auf die Qualität der Regeneration konnte ich auch nicht feststellen. Heißt so viel wie: Es ist egal was und wann ich nach dem Training gegessen habe, die Muskeln haben danach immer gleich lang und viel geschmerzt.
- Was sehr wohl gelingt ist sich durch die falsche Ernährung zu schwächen. Das betrifft vor allem die Kohlenhydratspeicher. Füllt man diese nicht entsprechend für die bevorstehende Aufgabe (Rennen oder Training) auf bzw. während einer Aktivität nach, geht einem frühzeitig die Luft aus.
- Ausserdem kann man sich Schwächen indem man zu viele Kilo auf den Rippen hat. Das Gewicht ist v.a. bergauf der Faktor, der am meisten Einfluss auf die Leistung hat und wo man mit der richtigen Ernährung am meisten ausrichten kann. Ab einer Steigung von 6% gehen mehr als 80% der Leistung linear in die Überwindung der Schwerkraft. D.h. ist man um 5% leichter, dann ist man um 5% schneller oben. Das ist bei einem 1h langen Anstieg wie z.B. dem Grossglockner ein Zeitunterschied von 3min.
Einfluss von Schwerkraft, Luftwiderstand und Rollwiderstand auf die Geschwindigkeit bei unterschiedlichen Steigungen
- Mir ist es bisher nicht gelungen durch ein höheres Gewicht die Leistungswerte zu steigern. D.h. wenn ich zunehme, dann geht dadurch die FTP nicht nach oben. Daraus folgt, dass ich auch im Flachen schneller bin, wenn ich weniger Gewicht habe, da der Rollwiderstand und Luftwiderstand sinken. Ausserdem ist durch eine geringere Fettschicht die Kühlung des Körpers besser. Dies ist höheren Leistungswerten eher förderlich denn abträglich.
Das ideale Renngewicht
Ich hatte wohl Glück in der Genetiklotterie. Seit ich ausgewachsen bin hatte ich annähernd das selbe Gewicht. Wenn ich mehr trainierte aß ich mehr und hatte meist etwas mehr Gewicht (mehr Muskelmasse = mehr Gewicht) und wenn ich weniger aktiv war, hatte ich automatisch die Nahrungsaufnahme reduziert, weil einfach der Hunger ausblieb. Letztlich bewegte sich aber nicht viel und die Waage zeigte immer irgendwas zwischen 68-70kg.
Nach einem Jahr Ausdauersport habe ich letztlich mit ~35 Jahren erstmals begonnen mich intensiver mit meinem Gewicht zu beschäftigen, da relativ rasch klar war, dass das Gewicht einer der wenigen Faktoren ist mit denen man die Leistung im Radsport über das Training der Physis hinaus maßgeblich beeinflussen kann. Ich kaufte mir das Buch Racing Weight: How to Get Lean for Peak Performance und begann mich nach unten an mein Idealgewicht heranzutasten. Letztlich bin ich bei rund 65-66kg gelandet. Habe ich unter 65kg, dann sind entweder die Speicher (teilweise) leer oder ich fühle mich nicht mehr wohl und tendiere krank oder ausgezehrt und müde zu werden.
Über die Jahre habe ich mich mit unterschiedlichen Diäten (z.B. No Carb / Keto), Periodisierungen (z.B. im Winter bewusst Fett aufbauen) und Sportarten (z.B. Laufen zusätzlich zum Radtraining) herumgespielt und mich dabei täglich in der Früh nach dem Toilettengang auf eine WLAN Waage (aktuell diese hier) gestellt, die die Daten mit protokolliert und leicht zugänglich macht. Das Ergebnis zeigt die Tabelle unten:
Ende 2011 habe ich begonnen mich mit dem Thema „ideales Renngewicht“ zu beschäftigen und im Frühjahr 2012 erstmals umgesetzt. 2013 war bisher das Jahr mit dem durchgängig niedrigsten Gewicht, v.a. getrieben durch Transalp (Juni), Hauteroute (August), 24h Hitzendorf (September). 2015 habe ich mich am Duathlon versucht und dadurch an Gewicht zugelegt. Gleichzeitig war es aber auch mein erfolgreichstes Jahr (Amateurmeister EZF, Vizemeister Strasse). 2016 & 2017 schaffte ich es kaum mehr unter 66kg, daher habe ich 2018 ein paar Veränderungen vorgenommen. Dazu später mehr, zunächst aber ein paar Learnings aus den Jahren davor:
- Bei meinem idealen Renngewicht habe ich einen BMI von ~19,5. Das Körperfett bewegt sich dabei rund um 6-7%. Viele gute Allrounder (z.B. Froome) haben ähnliche Werte. Wo sein eigenes ideales Renngewicht liegt muss jeder selbst rausfinden. In dem oben erwähnten Buch widmet sich ein ganzer Abschnitt dem Thema. Hier bietet der Autor auch einen Rechner an (Pfund > kg Umrechner)
- Das Idealgewicht lässt sich nicht lange halten. Meistens konnte ich im Frühjahr sehr leicht abnehmen, war dann Ende April mit Topgewicht auch in Topform, die sich dann bis Ende Juni hin aber langsam wieder verflüchtigte. Man sollte daher genau planen, wann man den Peak gerne hätte und auch die Ernährung entsprechend darauf abstimmen.
- Am leichtesten lässt sich am Gewicht durch den Füllstand der Kohlenhydratspeicher drehen. Der Körper kann rund 500g KHs speichern, wobei er pro 1g KH dafür 3g Wasser benötigt. D.h. in Summe sind das rund 2kg Schwankungsbreite. Ich habe im Oktober 2015 einen No/LowCarb Versuch gemacht und mich ein Monat lang komplett KH frei ernährt. Das Gewicht ging erwartungsgemäß binnen 2 Tagen um 2kg runter und blieb dann auch dort. Allerdings nicht sehr lange, da <64kg für meinen Körper einfach zu wenig war und ich zudem ganz normal weitertrainierte. Anhaltende Erschöpfung und abschließend eine Lungenentzündung beendeten das Ketoexperiment vorzeitig.
- Ein weiterer Muster in das man leicht verfällt um Gewicht zu sparen ist an der Wasseraufnahme zu drehen. Unser Körper besteht zu einem großen Teil aus Wasser und durch Dehydrierung kann man auch etwas rausholen. Das ist allerdings der Leistung nicht förderlich. Genauso wenig wie es förderlich ist sich an fixe Vorgaben („mind. 2l am Tag trinken“) zu halten. Trinken sollte man nach dem Durstgefühl. Einzig in Rennen muss man damit aufpassen, da hier das Durstgefühl oft erst verzögert kommt und es dann schon zu spät ist um den Verlust aufzuholen.
- Zusätzliches Gewicht kann man nicht durch Fett sondern auch Muskeln aufbauen. Betreibt man neben dem Radfahren andere Sportarten, benötigt man dafür andere Muskeln. Diese werden zwangsläufig aufgebaut, wenn man weitere Sportarten betreibt. Ich bin z.B. 2015&2017 relativ viel gelaufen und obwohl es sich dabei auch um eine Ausdauersportart handelt und man äußerlich keine Muskelzunahme beobachten konnte, war ich schwerer. Ich war allerdings am Rad dadurch nicht weniger leistungsfähig (selbe FTP), lediglich die Bergaufleistung am Rad sank durch das höhere Gewicht. Dessen sollte man sich bewusst sein. Ob es als Hobbyathlet Sinn macht sich rigoros auf nur eine Sportart zu konzentrieren sei dahingestellt. Hier auch noch eine Anmerkung zum Thema Krafttraining: Ich betreibe keines, aber wenn man es machen will, dann sollte man darauf achten was man damit bezwecken will. Möglichst große Muskeln zu haben kann kein Ziel sein. Um funktional die Muskeln zu stärken, Dysbalancen auszugleichen oder Verletzung&Abnützungen vorzubeugen ist es – in Maßen – ganz sicher sinnvoll.
Der 2018er Plan
Weiter oben erwähnte ich, dass ich 2018 Veränderungen vorgenommen habe. Man sieht auch an der Grafik, dass ich heuer so leicht wie noch nie bin. Was habe ich gemacht und wie sieht das aktuelle Ernährungsschema aus. Hier die wichtigsten Eckpunkte (mit * markierte Punkte mache ich seit 2012 so):
- * Nur (Mineral)wasser trinken: Da Wasser keine Kalorien hat, braucht man sich über die Menge keine Gedanken machen. Die Umstellung auf Wasser dauert etwas, aber danach schmeckt einem v.a. kaltes Wasser mindestens so gut wie ein Fruchtsaftgetränk.
- * Zwischen 20-6 Uhr keine Mahlzeit. Ausnahme: Kohlenhydratspeicher auffüllen. Dann gibt es um 22 Uhr noch eine kleine Mahlzeit
- Trinken vor dem Essen: Da es ~20min dauert bis das „ich bin satt“ Signal im Hirn ankommt, kann man durch frühzeitiges Trinken überessen verhindern. Ausserdem beugt es der Gefahr beim Trinken zu sparen vor.
- Mehrere kleine Mahlzeiten (alle 2-3h) vs. wenige große: Verhindert überessen weil der Hunger nie groß ist. Ausserdem verhindert man dadurch mehr Kohlenhydrate zu essen als der Körper verarbeiten kann (~60g/h). Der Überschuss würde in die Fettdepots wandern. Weiters verhindert man damit, daß das Kaloriendefizit insgesamt zu groß wird und der Körper in den „Pausemodus“ schaltet und beginnt einzelne Funktionen herunterzufahren (v.a. Wärmeregulierung = es ist einem immer kalt) um Energie zu sparen. Dadurch würde sich auch der Grundumsatz reduzieren, was nicht wünschenswert wäre.
- Eiweiß- & Kohlenhydratreich essen: Eiweißreiche Lebensmittel sättigen, kohlenhydratreiche Lebensmittel gehen in die – bei mir durch das Training am morgen – teilentleerten KH Speicher.
- Fettreduzierte Produkte verwenden: Ich esse nichts Anderes als früher, aber versuche bewusst fettreiche Lebensmittel zu reduzieren (z.B. durch halbieren der Menge oder ersetzen durch eine fettreduzierte Alternative)
- 1-2x Obst am Tag, bevorzugt in Form eines Apfels: Äpfel sättigen und haben relativ wenig Kalorien. Gesund sind sie obendrein.
- Kein Kaffee nach dem Essen: Koffein reduziert die Eisenresorption. v.a. nach einer eisenreichen Mahlzeit (Fleisch), sollte man auf den Kaffee direkt nach der Mahlzeit verzichten.
- * Im Training nur Wasser: Da ein Großteil meiner Trainingseinheiten <2h ist und ich dabei selten so hart trainiere, dass meine KH Speicher komplett leer werden, nehme ich zum Training kein Sportgetränk, Riegel, Gels o.ä. mit. Wasser (ggf. mit High5 Zero Tablette) ist je nach Aussentemperatur dabei. Bei härteren Einheiten >2h mische ich meist Maltodextrin in die Flasche. Im Wettkampf verwende ich im Regelfall Squeezy Gel in Nachfüllflaschen. In die Trinkflaschen kommt nur Wasser (und ggf. eine High5 Zero Tablette). Mit 2x200ml Gelflaschen bin ich dabei noch über jede Transalp Etappe gekommen. Die Nachfüllflaschen haben den Vorteil, dass man während des Rennens beliebig Wasser mit Gel mischen kann und so auf die äußeren Einflüsse (Hitze vs. Kälte) reagieren kann. Ein eigenes Kapitel sind noch längere Rennen (24h, Ötzi, o.ä.) – hier gebe ich besser keine Tipps, da ich hierfür noch kein funktionierendes Rezept gefunden habe.
- Twice a day: Eine zweite lockere Trainingseinheit am Abend, idealerweise vor dem Schlafengehen, wirkt zur Gewichtsreduktion Wunder.
2018 habe ich im speziellen auf das in dieser Studie erwähnte „Fuel for the work required“ Prinzip geachtet. D.h. ich habe bewusst versucht die KH Speicher nicht vollständig aufzufüllen, sondern eher niedrig zu halten. Das hat zur Folge, daß alles was man ißt in die KH Speicher und nicht die Fettdepots wandert. Ausserdem werden bei Trainingseinheiten die KH Speicher früher knapp, was – zumindest in einigen Studien – den Trainingseffekt steigert. Ob das bei meinen tendenziell relativ kurzen Einheiten etwas nutzt ist allerdings fraglich.
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