Da war es also nun, das Highlight des Jahres (Streckenprofil). Quasi meine persönliche Tour de France, die mit der 1000km langen Anfahrt im Wohnmobil am Donnerstag, 1.7. begonnen hat. Da wir zu zweit waren – mein Vater ist mir sowohl beim Autofahren als auch als Wasserträger zur Seite gestanden – ging’s ohne Pause in einem durch bis zum anvisierten Schlafplatz am Col du Lautaret (2058m). Um Mitternacht waren wir dort und konnten uns endlich ausrasten und schlafen.
Freitag
Morgendlicher Ausblick am Col du Lautaret
Perfektes Wetter und rundherum 3000er, ein besseres Panorama beim Frühstück gibt’s nicht. Am Programm steht heute die Befahrung der Südseite des Galibier (2645m), zum Warmfahren und v.a. auch austesten wie sich die Höhenlage und dünne Luft auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. Ich versuche mit den geplanten 250 Watt den Berg hochzufahren, was sich relativ rasch als recht anstrengend herausstellt. Speziell im oberen, steileren Teil ist die Leistung nur unter grösster Anstrengung zu halten. D.h. für das Rennen am Samstag, dass ich schon einmal plane den Galibier mit weniger Aufwand anzugehen. Weil’s so schön ist fahre ich den Galibier gleich 2x vom Süden hoch und auch noch die letzten 2km des Nordanstiegs und sammle in Summe 1200 Höhenmeter.
Oben am Galibier
Blick nach Norden mit der Auffahrt aus Valoire.
Blick nach Süden zum Col du Lautaret. Da geht’s am Samstag runter.
Danach geht’s hinunter ins Tal und gleich wieder hinauf nach Alpe d’Huez – Startnummer abholen. Der Anstieg verlangt dem Wohnmobil einiges ab, das Panorama beeindrucket. Egal ob man nach unten oder nach oben sieht, man hat das Gefühl die 21 Kehren schlängeln sich eine Wand hoch. Das wird ein Spass werden…
Oben angekommen, komme ich rasch zu meiner Startnummer: 5.400. D.h. 3. Startblock mit Start um 7.50 und eine rote Startnummer. Ganz vorne sind 400 Elitefahrer (Start 7:00), dann kommt der erste Block (Start 7:00, bis Nr. 2.000, gelbe Nummer), dann der 2. Block (Start 7:30, bis Nr. 4.000, schwarze Nummer) und zum Schluss der 3. Block (Start 7:50, bis Nr. 7.999, rote Nummer).
Am Abend gibt’s noch eine Nudelpackung und jede Menge glückliche Holländer, die den Sieg ihrer Mannschaft beim Viertelfinale der Fussball WM feiern.
Omnipräsent: Blick auf Alpe d’Huez vom Sessel vor dem Wohnmobil aus
Samstag
Tagwache um 5 Uhr. Frühstück und um 6 Uhr ab an die Startlinie. Vor dem Campingplatz fahren schon jede Menge Radler vorbei, ich Reihe mich ein und biege in den Bereich des 3. Startblocks ein. Zu meiner Verwunderung sind dort noch kaum Leute, so dass ich in der 2. Reihe zum Stehen komme. Perfekt. Das heisst kein Stress beim Start und auf den ersten 15 flachen Minuten. So ist es dann auch, die Blöcke 1 & 2 starten raus und es wirkt als ob sich ein endloses Heer von Radlern auf den Weg macht. Pünktlich um 7:50 Uhr dürfen auch wir los.
Start in Bourg d’Oisans
Geschlossen rollt das Feld zum Anstieg auf den Glandon (1923m) hin. Mit 26km ein sehr langer Anstieg, der aber immer wieder Flachstücke und sogar 2-3 kleine Abfahrten drinnen hat. Ich stimme meine geplanten 260Watt an und fahre damit konstant den Anstieg hoch. Meistens auf der linken Strassenseite, quasi der Überholspur. Schon nach wenigen Kilometern beginnt das Überholen des schwarz nummerierten 2. Startblocks. Bis ganz hinauf nimmt das Überholen kein Ende. Ich geniesse die Landschaft die 260W schmerzen (noch) nicht. Oben angekommen wird die Zeit gestoppt und angehalten und es geht neutralisiert – ein Novum 2010 – die Abfahrt hinunter. Ich fahre sehr langsam und vorsichtig, auch viele Andere lassen sich Zeit. Mit 37km Schnitt wird das wohl als meine langsamste Abfahrt von einem Berg in die Geschichte eingehen. Aber immerhin es ist nichts passiert und auf die Gesamtzeit hat es auch keine Auswirkung.
Auf der Überholspur am Glandon
Unten im Flachen angekommen ging’s dann hauptsächlich darum eine günstige Gruppe zu finden. Das war gar nicht leicht weil ständig schnelle auf langsame Gruppen aufgefahren sind und diese überholt haben. Trotzdem bin ich recht kraftschonend und schnell über diese 40min Passage gekommen bevor dann der 12km Anstieg auf den Col du Telegraphe (1566 m) begonnen hat. Auch dort bin ich wieder konstant mit 260W hochgefahren. Wiederum viele, viele Leute überholt, davon die meisten schon mit gelber Nummer aus dem 1. Startblock.
Anstieg zum Galibier
Oben angekommen fühlte ich mich immer noch extrem gut. Also runter nach Valoire und rauf auf den Galibier. Dort hat dann das Leiden begonnen. Ich konnte – wie erwartet – die 260W nicht halten. Die Leistung fiel bis oben hin schön langsam ab. Ich hab’s der Höhe zugeschrieben und kann auch jetzt im Nachhinein schwer sagen ob es ausschliesslich die Höhe war oder ob ich dort eigentlich schon eingegangen bin. Jedenfalls war ich oben angekommen noch guter Dinge. Bekam von meinem Vater frische Trinkflaschen und machte mich auf die einstündige Abfahrt nach Bourg d’Oisans, wo der 13km Anstieg nach Alpe d’Huez (1860m) beginnt. Die Abfahrt ist nicht ganz ungefährlich, da es als Gruppe von ca. 15 Leuten durch einige nahezu unbeleuchtete Tunnel geht.
Die letzten Meter am Galibier – der Fahrer rechts dahinter ist „gelb“ also 50min vor mir gestartet, der links vermutlich Tourist (keine Nummer)
Abfahrt vom Galibier Richtung Bourg d’Oisans
In Bourg d’Oisans angekommen geht’s gleich richtig los. Die ersten Kehren sind die steilsten mit 10-12% Steigung. Die Sonne brennt vom Himmel. Ich versuche es wieder mit 250W. Das geht erstaunlich gut, aber leider nur bis zur 3. von 21 Kehren. Dort ist dann plötzlich der Ofen aus. Offenbar habe ich alle meine Kohlenhydrat Vorräte verbraucht und kann nur mehr auf Sparflamme weiterradeln. Das heisst rund 180-200W und eine Trittfrequenz von 50-60U/min. Wiegetritt ist auch nicht mehr drinnen, weil das sofort zu anstrengend wird. Die letzte Stunde war so eine echte Qual. Zum ersten Mal wurde ich von anderen Fahrern überholt. Nur nicht stehenbleiben, habe ich mir gedacht. Also durchgekämpft und letztlich genau nach 7:30h – das war die Zeit, die ich als Optimum erreichen wollte – ins Ziel gerollt. In der finalen Ergebnisliste – ohne die Abfahrt vom Glandon – wurde ich mit 6:58:45h gewertet. Das ist der 218. Platz (von über 5.200 Finishern) bzw. Platz 99 in meiner Altersklasse. Rückstand zum Sieger 1:12h.
Zielankunft in Alpe d’Huez
Eigentlich sollte ich zufrieden sein. Habe alle meine Ziele erreicht (Durchkommen, unter 8h, unter den besten 500, letztlich sogar die 7.30h geschafft), aber so recht will sich das Glücksgefühl nicht einstellen. Mit Alpe d’Huez habe ich definitv noch eine Rechnung offen…
Die Zeiten und Leistungsdaten für die einzelnen Abschnitte:
Sonntag
Da das Wetter so schön war und ich noch die Berge in Frankreich ausnutzen wollte – man ist schliesslich nicht alle Tage dort – bin ich am Vormittag noch nach Les Deux-Alpes (1660m) hinaufgefahren. Mit 250W versteht sich. Das tut gut, aber die Rechnung mit Alpe d’Huez bleibt weiter offen…
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