Richtig aufwärmen

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„Wie wärme ich mich vor einem Rennen richtig auf?“, „Was muss ich tun, damit ich am ersten Berg nicht immer so leide?“. Fragen wie diese werden mir sehr oft gestellt und obwohl es aus wissenschaftlicher Sicht kein ideales Aufwärmprogramm gibt und die einzelnen Protokolle sehr unterschiedlich sind, so gibt es doch ein paar Prinzipien, die man berücksichtigen sollte.

Wozu aufwärmen?

Der wichtigste Faktor sind die so genannten VO2 Kinetics. Unser Körper braucht etwas Zeit um das VO2 System auf 100% hochzufahren. Ist dies einmal geschehen, dann kommt man rascher wieder auf 100%. Leicht zu beobachten ist der Effekt bei einem intensiven Intervalltraining. Das erste Intervall fühlt sich oft viel härter an als das zweite, weil es eben beim ersten Intervall länger braucht bis das VO2 System voll läuft. Dadurch kommt man beim ersten Intervall rascher in den anaeroben Bereich und verbraucht mehr seiner anaeroben Kapazität. Gerade in einem Rennen, vor allem einem Zeitfahren, ist es wichtig die anaeroben Speicher so voll zu halten wie nur möglich. Durch richtiges Aufwärmen kann man das sicherstellen.

Was für mich auch noch ein wichtiges Argument ist – zumindest mental – ist die Müdigkeit aus den Beinen zu vertreiben, die sich oft durch lange Autofahrten einschleicht. Ausserdem sieht man bei mir bei lockeren Einheiten auf der Rolle recht deutlich, dass in den ersten 40 Minuten der Puls beständig sinkt bis er danach auf einem stabilen Niveau bleibt. D.h. erst nach 40 Minuten laufen meine Systeme „rund“, vor allem die Fettverbrennung.

Wie aufwärmen?

Ich habe für mich auf Basis der oben erwähnten Fakten das folgende Szenario als optimal herausgefunden, das ich bei Zeitfahren konsequent auf der Rolle absolviere und bei kurzen Strassenrennen oder Bergrennen ebenfalls versuche umzusetzen. Bei Strassenrennen oder Marathons mit langen Wartezeiten am Start, verzichte ich darauf, da man am Start meist sowieso wieder komplett auskühlt. Ausserdem ist das Rennen lang genug um in Schwung zu kommen. Ausnahme sind Rennen bei denen zu erwarten ist, dass es direkt nach dem Start gleich sehr intensiv zur Sache geht.

Der Ablauf bei einem Zeitfahren:

  • 35-60min bis zum Start: L1/L2@60-75%. Lockeres Einrollen. Je länger die Anfahrt und je schwerer die Beine um so länger, mindestens aber 10min.
  • 25min bis zum Start: 5min SST@90%
  • 20min bis zum Start: 3min L2@60%
  • 17min bis zum Start: 2min L5@115%
  • 15min bis zum Start: 5min L1@55%
  • 10min bis zum Start: Runter von der Rolle und zum Start fahren.

Es gibt sicher noch viele weitere Protokolle, wie auch jenes oben im Bild von Alberto Contador. Ein weiteres Protokoll, das speziell auf die VO2 Kinetics Augenmerk legt, ist in diesem Artikel hier beschrieben.

Was gibt es noch zu beachten?

Zwei Dinge gibt’s die ernährungstechnisch relevant sind:

  • Es gibt Studien in denen gezeigt wurde, dass man nach der Aufnahme von Kohlenhydraten – es reicht im Mund zu spülen, man muss gar nicht runterschlucken – leistungsfähiger/-bereiter ist. Jedenfalls sollte man die Kohlenhydrate, die man beim Aufwärmen verbraucht hat wieder zuführen. Ein Gel o.ä. vor dem Start bzw. während des Aufwärmens ist daher sicher sinnvoll.
  • Koffein ist das einzige erlaubte Mittel, das nachweislich leistungssteigernd wirkt. Früher war es daher verboten, wurde aber schon vor langer Zeit wieder von der Dopingliste gestrichen. 2 grosse Tassen Kaffee (200mg Koffein) während der letzten Stunde vor dem Start eingenommen, sollten ausreichen um einen Effekt zu erwirken. Ob und wie es bei jedem wirkt und muss man selbst ausprobieren. Auf Google finden sich jede Menge weitere Informationen zu Koffein als Supplement. z.B. dieser hier

Bei Zeitfahren richte ich mir vor Beginn des Aufwärmens schon alles was ich für das Rennen benötige (Helm, Handschuhe, Schnellspanner, …) damit während und nach dem Aufwärmen kein Stress aufkommt. Zeitfahranzug (inkl. montierter Startnummer) und Überschuhe ziehe ich davor an, da dies verschwitzt mühsam ist.

10 Comments

  • Hallo
    hat jetzt nichts mit aufwärmen zu tun aber benutzt du eigentlich nahrungsergänzungsmittel wie eiweiss oder sonstiges?

    • Nicht wirklich. Ich habe eine Zeit lag Magnesium genommen und mir eingebildet, dass das gegen die Wadenkrämpfe hilft. Dann hab ichs irgendwann weggelassen und geht genauso. Ähnlich geht es mir mit den anderen Dingen (Eisen, Vitamine). Letztlich habe ich noch durch nichts nachhaltig einen Effekt bemerkt.

      Eiweisshake habe ich versucht mir im Winter als Recovery Drink nach Einheiten anzugewöhnen. Bin da leider auch etwas zu unkonsequent, aber wenn ichs doch mache, dann hilft es mir gefühlt eher beim Gewichtsmanagement (= kürzere Hungerphasen = weniger Gefahr zu spät zu viel auf einmal zu essen) als bei sonst irgendwas.

  • 420 Watt FTP bei 62kg…kaum vorstellbar für den „Normal“-Menschen…

    Jürgen,

    habe dasselbe Gefühl, dass ich erst nach 40-45min warm bin. Bei längeren Ausfahrten im Training sind die Beine die ersten 40-45min schwer. Aber bei Rennen – fange gerade mit Masters Rennen an – geht’s vom Start meist heiß her und dann wird’s schwer dran zu bleiben, wenn die Beine schmerzen. Bis man dann warm ist, ist das Feld weg….

    Habe ein paar Fragen zum Aufwärmen:
    a) welchen Trainer nimmst du mit? Mir ist zu umständlich, den Kickr samt Laptop mitzunehmen. Jedoch würde ich mich gerne auf einer geeigneten Rolle warmfahren, weil man so optimaler ist steuern kann.

    b) Wie sieht deine Ernährung vor dem Wettkampf aus:
    i.) +1 Tag
    ii.) zum Frühstück
    iii.) kurz vor dem Rennen

    Wie hälst du es mit Flüssigkeitszufuhr bei Rennen:
    i.) unter 1h
    ii.) über 1h bis 2h

    Gruß

    Frank

    • a) Irgendeinen Trainer. Gibt es gebraucht wie Sand am Meer für wenig Geld. Jedenfalls nix elektronisches und nix teures. Beim Zeitfahren bleibt das Ding aus Zeitmangel oft im Freien stehen. Das würde ich mit einem kickr niemals machen. Und bei Regen kannst alles elektronische auch vergessen.

      b) Nichts besonderes. Eher KH reich, wenig Dinge, die mir schwer im Magen liegen (Fleisch). Wenn geht mehr Nudeln/Reis. Frühstück ist bei mir Lieblingsmahlzeit. Esse aber letztlich auch „nur“ Brot/Semmeln mit Butter und Marmelade und dazu Kaffee. Flüssigkeitszufuhr nach Lust/Durst. Ist stark Temperaturabhängig. Wenn es kalt ist, dann bekomme ich fast nichts hinunter. Wenn es heiss ist, dann trinke ich meist zu wenig und zwinge mich dann eher frühzeitig viel zu trinken. Das ist sicher alles sehr individuell. Muss man selbst probieren wieviel man braucht. Wenn man dauert aufs Klo muss, dann war es wohl zu viel des Guten …

  • In einer neuen Tour steht, dass man sich höchstens 20min aufwärmen sollte und dabei maximal unterschwellige Belastungen fahren soll. Begründung war, dass so keine Körner verschossen werden und Verletzungsanfälligkeit beim Radsport nicht gegeben ist. Profis würden auch nur ein Kurzprogramm machen.
    Wie stehst du dazu?

    • Aufwärmen ist allgemein sehr umstritten. Ich merke aber bei praktisch jeder lockeren Ausfahrt, dass es ca. 40min braucht bis mein Körper so richtig rund läuft. Ausserdem sind die VO2 Kinectics gut dokumentiert und es ist ja auch wirklich so, dass sich das 2. Intervall meist einfacher anfühlt als das 1.

      Wenn ich daher auf Nummer sicher gehen will, dann baue ich die beiden Dinge in mein Warmup ein. Dass man dafür zu früh bei einem kurzen Zeitfahren oder Bergrennen seine Körner verschießt ist sehr unwahrscheinlich, weil man onehin mehr als genug dabei hat. Bei längeren Rennen ist das sicher anders, dort wärme ich mich aber auch nicht so lange auf.

      Neben all dem kommt aber auch der Kopf dazu. Wenn ich mit einem Aufwärmprogramm gut fahre, dann mach ich das das nächste Mal wieder gleich („Never change a winning team“). Und seit ich mich so aufwärme, habe ich noch kein Rennen vergurkt. Warum auch immer 😉

      Den Tourbericht kenne ich. Habe mich ein bisschen über deren Tipps gewundert, aber wer weiß. Viele Wege führen nach Rom …

  • Aufwärmen kann man nicht verallgemeinern, jeder reagiert anders drauf, das muss man (mehrfach) ausprobieren und bei mir hängt es auch von der Tageszeit ab, morgens brauch ich z.B. länger bis ich auf Touren komme. Wenn ich dann locker bin, fang ich mit kurzen 1-3 Min. Intervallen an und steigere bei jedem Intervall die Leistung, sodass es sich immer gleich locker anfühlt, bis ich in etwa bei der geplanten Leistung bin. Also im Grunde so wie Contador, nur halt mit gut 120W weniger 😉

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