24h Hitzendorf 2013

Was soll man da noch sagen? Die nächste Wahnsinnsaktion und wieder (wahnsinnig) erfolgreich abgeschlossen. Ohne großartige Vorbereitung, im Speziellen ohne lange Trainingseinheiten und ohne Rad mit Ausdauersetup (Sitzposition, Aufleger) habe ich mich beim 24h Rennen in Hitzendorf an den Start gestellt und die Dinge auf mich zukommen lassen. Immerhin hatte ich eine Taktik: So lange es geht das Hinterrad des Führenden halten. Wenn ich das länger mache als alle anderen, dann passt das schon. Ausserdem hoffte ich, dass mir auf dem welligen Kurs – es geht auf der 3,85km langen Runde zunächst in 3 Wellen ca. 30 Höhenmeter hoch, bevor eine Abfahrt und ein Flachstück zurück zu Start&Ziel folgen – im bergauf Teil niemand davonfahren würde und ich dort zur Not Löcher immer noch flicken könnte.

Und genau so habe ich es dann auch gemacht, wobei in dem starken Starterfeld (Race around Slovenia Sieger, RAAM Finisher, Glocknerman Sieger und 3. Platzierter) für mich der Favorit anfangs nicht so klar auszumachen war. Allerdings hat sich nach wenigen Runden schon gezeigt, wer den Ton angibt: Joachim Ladler, Ex-Elite Fahrer und seit ein paar Jahren Ultraracer, der heuer so ziemlich alles gewonnen hat, bei dem er mitgefahren ist und auch Titelverteidiger in Hitzendorf war.

Er war auch der Einzige, der richtig aggressiv gefahren ist und immer wieder einmal angezupft hat. Den entscheidenden Antritt hat er nach ca. 3,5h gemacht als ein grosser Pulk an Fahrern genau im Bereich des Überholverbotes vor der Halle zu überrunden war. Er zwängte sich noch vorne rein und drückte voll an. Ich war hinter dem Pulk eingesperrt, hatte schon ein ordentliches Loch aufgerissen und sah als einzigen Ausweg den Bergaufteil voll zu nehmen. Nach 2:20min mit 400W Schnitt war der Berg zu Ende und ich wieder an Ladler dran. Außer mir war aber keiner aus der Ex-Spitzengruppe mehr da.

Mit einem abartigen Tempo ging es mit abwechselnder Führungsarbeit die nächsten Stunden weiter. Wir holten zum Teil Staffelfahrer ein, fuhren mit ihnen bis zum nächsten Wechsel mit um uns dann wieder von hinten an den nächsten Staffelfahrer heranzuarbeiten und diesen bis zu seinem Wechsel zu „mißbrauchen“. Dazwischen immer wieder Antritte von „Ladi“, der nicht aufhörte lästig zu sein, wann immer ich beim Überrunden anderer Fahrer, bei der Versorgung mit Flaschen, Gels oder Gewand Tempo rausnehmen musste. Ich fuhr die Löcher zwar immer wieder zu, übernahm dafür dann aber zur „Strafe“ eine Zeit lang keine Führungsarbeit mehr. Ich selbst habe ihn nur einmal kurz angetestet, 15s Vorsprung rausgefahren, der nach 1 Runde aber eh wieder weg war. Eine ziemliche Pattsituation, die sich vermutlich sehr lange fortsetzen lassen und uns gegenseitig zu noch mehr gefahrenen Kilometern getrieben hätte, wenn ich nicht nach 13h klein beigegeben hätte.

Die Sinnfrage hatte mich – wie auch schon auf der 4. Etappe der Haute Route vor 2 Wochen – eingeholt. Der Dritte lag schon über 7 Runden (= fast 1h) zurück. Wozu sich über 24h quälen, wenn ich doch auch einfach den „Wahnsinnigen“ ziehen lassen und das Rennen gemütlich auf dem 2. Platz fertig fahren könnte? Ich ließ ihn ziehen, machte von dort an insgesamt 3 Pausen zu je ~7 min (= 1 Runde) und genehmigte mir dabei einen Teller warme Nudeln, eine RedBull/Knuspertraum Jause sowie Kaffee, Marmeladesemmerl & Kuchen. Ausserdem fuhr ich mein eigenes Tempo, oft stundenlang ohne Windschatten, dann wieder kurz im Windschatten einer Staffel oder wie in den letzten 2h im Windschatten von 12h Sieger Christian Lengyel.

zieleinlauf24hZieleinlauf nach 24 Stunden

Nach 24h, 203 Runden, 790 gefahrenen Kilometern mit 7.300 Höhenmetern, 1.100 TSS und 16.000 verbrauchten Kalorien überquerte ich schließlich als zufriedener Zweiter die Ziellinie (Ergebnisliste). Ausserdem war ich in der Runde mit der Attacke und dem bergauf Sprint die schnellste Runde (5:45min, 40km/h) aller Teilnehmer gefahren und fuhr die zweitbeste Rundenzahl, die bisher je bei dem Rennen gefahren wurde. Nur „Ladi“ schaffte mit 209 Runden deutlich mehr, holte sich damit den Sieg und hält jetzt den neuen Rekord.

die-ersten-5-der-24h-herren
Siegerehrung

 Wie immer, war die Veranstaltung für mich als „Experiment an mir selbst“ für einige Learnings gut:

  • Vermutlich aufgrund des abwechslungsreichen Kurses (Wiegetritt, Abfahrt, Flachstück, kriteriumähnliche Fahrerlagerkurven) hatte ich keinerlei Probleme mit meiner – von den Strassenrennen geprägten –  aggressiven Sitzposition. Lediglich im Knie begann es mehr und mehr zu zwicken und auch heute (= 1 Tag danach) schmerzen eigentlich nur die Knie. Die gefürchteten Nackenschmerzen sind gänzlich ausgeblieben, genauso wie gröbere Kreuzschmerzen (Ich hatte keinen Aufleger und mich daher oft auf den Lenker gelegt, was eine extreme, zeitfahrähnliche Position ergibt, aber über längere Zeit Schmerzen verursacht.)
  • Noch interessanter die Ernährung: Die ersten 10h versorgte ich mich ausschließlich mit Gels und Bananen. Wasser nur nach Lust. Je geringer die Intensität wurde, umso geringer auch der Hunger. Offenbar konnte der Körper einen Großteil der benötigten Energie aus der Fettverbrennung heraus decken. Mit abnehmendem Tempo, nahm der prozentuelle Fettanteil scheinbar zu, der Hunger dadurch immer weiter ab. Das Körpergefühl funktionierte weiterhin recht zuverlässig: Ein paar schnelle Runden im Windschatten einer Staffel und schon war der Gelhunger wieder da. Trotzdem hat man irgendwann (nach >0,5l Gel) die Gels einmal satt, was mir der Magen deutlich zu spüren gegeben hat. Deshalb habe ich dazwischen ein paar Stunden lang gar nichts gegessen und von den Kohlenhydratvorräten gezehrt. Auch kein Problem. Hatte nie das Gefühl, mich richtig leer gefahren zu sein. Das bestätigt auch das Hungergefühl nach dem Rennen: Nach 1 Teller Nudeln war die Lust auf Kohlenhydrate gestillt und der Körper verlangte v.a. nach Eiweiß (= Fleisch, Milchprodukte). Ein Blick auf die Waage bestätigt das: ~1kg weniger Körperfett (~10.000 Kalorien) entspricht in etwa dem, was der Körper in 24h an Fett verbrennen kann. Insgesamt aber weniger Gewichtsabnahme als bei einem harten, intensiven Radmarathon, bei dem man viel Wasser verbraucht (verschwitzt) und die KH Speicher fast zur Gänze leert.
  • Am Ende des Tages zählt der Kopf, allerdings nur, wenn man die Leistungswerte hat um dann noch entscheidend im Rennen zu sein: Wie auch schon bei Haute Route und Transalp deutlich sichtbar, macht es die Schwellenleistung (bzw. die W/kg und bei einem flachen Kurs W/cdA) aus ob man ganz vorne mitfährt oder nicht. Erst wenn das passt, kommt der Kopf ins Spiel, der dann über Sieg oder Niederlage entscheidet. Nur mit dem Willen und Kampfgeist wie ihn z.B. Joachim Ladler gezeigt hat, kann man dann auch gewinnen. Wobei er sich danach für manche Antritte sogar entschuldigt hat: „I bin halt im Rennen so“ 😉
  • Danksagungen: Ohne die Verpflegung durch meinen Bruder, meine Familie sowie die Staffelsieger Wals Siezenheim im ersten Teil des Rennens hätts‘ nicht geklappt. Genausowenig wie ohne die Unterstützung des 6h Siegers Wolfgang Marcher sowie des 12h Siegers Christian Lengyel und den top Staffeln, die uns/mir immer wieder Erholung im Windschatten spendiert haben!

HitzendorfFührungsduo

powerdistribution-hitzendorf24hVerteilung der Leistungszonen: Wenig an der Schwelle, dafür – dank der 3 kurzen Anstiege und des kriteriumsähnlichen Kurses – über 2h:15min im Vo2Max bzw. anaeroben Bereich. Zwar 4h Pause (v.a. bergab rollen & Kurven anfahren), dafür aber auch insgesamt 25% L3 und mehr.

Leistungsdaten (Power2max):

Leistungsdaten Hitzendorf

Links:
Homepage der Veranstaltung
Ergebnisliste
Fahrt auf Strava – Teil 1
Fahrt auf Strava – Teil 2
Bericht von Joachim Ladler

8 Comments

  • Ein Wahnsinns Bericht und natürlich auch ein Weltklasse Rennen. Ich war auch schon kurz davor Dich einfach fahren zu lassen. Das du oft nachfahren musstest habe ich leider nicht bemerkt. Ich habe deswegen Heuer wieder an der Steigung verpflegen lassen weil man dort kaum Tempo rausnehmen muss.

    Gute Erholung und sportliche Grüße

    Joachim

    • Das passt schon so, es soll ja ein Rennen und keine Spazierfahrt sein. Wären wir einfach nur gemütlich dahingerollt, wäre ich irgendwann eingeschlafen …

      So war’s richtig cool und durch das Affentempo in der ersten Hälfte sind sich trotz einer eher lockeren zweiten Hälfte mit den (eigentlich nicht notwendig gewesenen) Jausenpausen die 200 Runden leicht ausgegangen.

      Dir auch alles Gute. Erhole dich gut und lass es nächstes Jahr beim RAAM so richtig krachen.

  • Danke für deinen tollen Bericht und die Einblicke aus deiner Sicht !! Anhand des Berichtes und der beiden Kommentare bisher kann ich nur gratulieren – Ihr seid beide absolut faire Sportkollegen und richtige Ausnahme-Sportler!!!! Schön dass ich dabei gewesen bin !!!

  • Gratulation zu dieser tollen Leistung, verfolge deinen Blog schon länger und war gespannt wie es dir bei diesem Experiment gehen würde.
    Kann mich dem Kommentar von Karin Ladler nur anschließen, Wahnsinn was Ladi und du in Hitzendorf geleistet habt – war ein Radsport Feuerwerk.

Schreibe eine Antwort zu Jürgen Pansy Antwort abbrechen